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Sommerreise der "Quintessa" 2001
Die Reise führte in den deutschen Osten

Wenn die Weihnachtstage vorüber sind, das neue Jahr angebrochen ist, und zumindest kalendermäßig die Tage wieder etwas länger werden, und die Sonne wieder höher kommen soll (auch wenn sie sich kaum sehen lässt), reift doch wieder ganz zart und vorsichtig der Gedanke an den nächsten "Sommertörn". In welche Richtung könnten wir denn nur so ganz grob unser Ziel abstecken?

Die Gedanken und Erinnerungen schweifen zunächst in bekannte Gefilde. Wobei subjektiv problemlose Touren mit hochsommerlichem Wetter den höchsten Stellenwert erhalten. So kreisen unsere Gedanken um den vorjährigen Törn nach Südnorwegen mit einem besseren Sommer als auf der heimischen Ostsee. Dann werden Erinnerungen wach an die Tour durch die Eider in die tidenabhängige Nordsee mit vielen schönen Inseln und nicht überfüllten Häfen und an den schönen westlichen Limfjord. Weiter schweifen die Gedanken zurück an unsere hochsommerliche Reise im Jahr 1997 durch den Götakanal und die großen Seen in Schweden. Nur den Trollhätten-Kanal kann man vergessen.

Wir wollen jedoch ein neues und nicht so fernes Ziel ansteuern, um uns unterwegs viel Zeit für Liege- und Landtage zu nehmen. Wenn nicht Dänemark, so liegt doch die deutsche Ostseeküste mit den neuen Bundesländern in greifbarer Nähe. Dieses Gebiet lag uns bisher gedanklich immer noch fern, obwohl nun bereits seit mehr als 10 Jahren das Sperrgebiet mit der damaligen DDR nicht mehr existiert.
Also: Neue Seekarten beschaffen und auf in Richtung Osten:

Wir schreiben Freitag, den 22. Juni 2001. Wir wollen für 7 Wochen auf „Lange Fahrt“. Eine für die Jahreszeit zu niedrige Temperatur und Dauerregen motiviert gerade nicht zum Aufbruch aus Hamburg zur Autofahrt nach Missunde. Meine Hanne ist richtig deprimiert! Doch alles ist nun vorbereitet, eingekauft und steht in Kisten und Taschen bereit. Ich stelle nicht gerade überzeugend fest, dass alles nur besser werden kann. Also oder trotzdem beladen wir im Regen das Auto und fahren los.

Bereits während der Fahrt kommt hier und da die Sonne durch. Wir klammern uns an die alte Theorie, dass nördlich des Kanals das Wetter besser wird. In Missunde angekommen treffen wir unsere Segelfreunde, plaudern ein wenig, und schon sieht die Welt wesentlich freundlicher aus.

Das Wetter wird ab folgenden Tag merklich besser und schon steigt die Stimmung beachtlich. Am Sonntag geht es dann vormittags endgültig los. Wir laufen zunächst zusammen mit der „Plüntje“ bis zu unserem geliebten Schleimünde. Leider sind die Damen, sowohl meine Hanne als auch Biggi von der Plüntje,  gesundheitlich nicht gut drauf. Vielleicht gab es in Missunde einen Trennungsvirus?

Während die Plüntje für einen kürzeren Törn Richtung Norden geht, laufen wir ostwärts nach Bagenkop. Nach anfänglichem Dunst kommt am späten Vormittag die Sonne durch. Unter Blister ist es eine herrlich Fahrt. Wir kommen allmählich richtig zur Ruhe.

Der nächste Tag bringt wieder sonniges Wetter mit leichten westlichen Winden, so dass es wieder eine gemütliche Reise zu versprechen scheint. Alles verläuft planmäßig, nur auf zweidrittel unserer Fahrt in Richtung Fehmarn mit Ziel Lemkerhafen kommt aus dem leichten sonnigen Dunst die deutsche Küstenwache mit der „Bad Bramstedt“, umkreist uns langsam, ruft uns über UKW an und teilt uns mit, dass Sie ein Boot aussetzen werden, um uns polizeimäßig zu kontrollieren. Wir sollen ruhig Kurs und Geschwindigkeit beibehalten. Zuwasser gelassen wird ein, mit drei Beamten besetztes, 40 PS starkes Schlauchboot. Das Fahrkönnen der Besatzung ist einwandfrei. Ich heiße die Herren „Willkommen an Bord“. Einer bleibt natürlich im Schlauchboot, einer bleibt zur Beobachtung hinten an Deck sitzen, während der dritte ins Cockpit darf. Das Verhalten der Beamten ist vorbildlich einwandfrei. Auf die erste Feststellung des Beamten, dass wir also von Bagenkop direkt nach Lemkerhafen wollen, weise ich gleich auf das Problem der deutschen Zollhäfen hin und zeige unsere gültige Grenzerlaubnis, die er wohlwollend notiert. Dann erfolgt eine Aufklärung mit farbigem Prospektmaterial über die Außengrenzen gemäß dem Schengener Abkommen und dass wir, obwohl Dänemark zur EU gehört,  durch die See-Außengrenze in Deutschland einlaufen. Weiter wird u. a. nach dem Rufzeichen der UKW-Anlage gefragt. In wieweit die problemlose Kontrolle wirklich dem Menschenschmuggel oder vielleicht mehr oder weniger einer Übung bei guten Wetter oder dem Nachweis einer Anzahl von Kontrollen gilt, können und wollen wir nicht beurteilen. Die Beamten geben uns noch den Tipp, dass, wenn wir von Kollegen weiter im Osten auch zur Kontrolle angehalten werden sollten, können wir auf diese bereits erfolgte hinweisen. Sie könnten sich dann ja bei der „Bad Bramstedt“ erkundigen.

     
                          Die Quintessa-Crew auf  der Insel Omö

Das Wetter bleibt positiv stabil. Wir haben ja Zeit und beschließen, erstmalig den bei vielen Seglern umstrittenen Kurort Grömitz anzulaufen. Dort finden wir erstaunlich viele leere Boxen. Ein langer Spaziergang entlang der Promenade mit einer schönen Kaffeestunde hat auch etwas für sich. Auch das Liegegeld beläuft sich mit DM 33,--nicht höher als in Bagenkop.

Weiter geht es ostwärts nach Timmendorf auf Poel. Die Sonne fehlt. Uns umkreist wieder ein staatliches Boot. Doch es geschieht nichts, und das Schiff setzt seinen ursprünglichen Kurs fort. Timmendorf, jetzt also erstmalig in einem neuen Bundesland, empfängt uns mit einem idyllischen Hafen in landschaftlich schöner Umgebung. Auch wir genießen den direkt am Hafen gelegenen Strand, lesen und baden (Luft 24°, Wasser 19°). Auffällig, jedoch nicht störend, beobachten wir den in den neuen Bundesländern sehr hohen Anteil der FKK-Anhänger. Der kleine Ort versucht mit Strandkörben, vielen preiswerten Restaurants und Cafés überwiegend Touristen aus den neuen Bundesländern anzulocken.
Liegegeld nur DM 19,--.

Unser nächstes Ziel ist das nahegelegene Wismar. Im durch Fördergelder hervorragend ausgebauten Stadthafen (früher Überseehafen) neben der Altstadt finden wir an Schwimmstegen reichlich Platz. Die direkte Umgebung lässt jedoch noch sehr zu wünschen übrig. Unser hochsommerlicher Spaziergang bringt uns zum sehr gut restaurierten Marktplatz. Draußen vorm „Alten Schweden“ speisen wir hervorragend und zugleich preiswert. Doch viele Straßen und Gebäude außerhalb des Marktplatzbereiches machen noch einen tristen Eindruck. Sehenswert sind die zahlreichen historischen Gebäude und Kirchen. Wir entschließen uns zur näheren Besichtigung der Kirche „Sankt Nikolai“.

Da das Wetter weiterhin Badefreunden verspricht, geht es zunächst zurück nach Timmendorf, auch um am nächsten Tag bequemer weise nicht mehr Meilen machen zu müssen als nötig.

Wir erreichen bei 4-5 Bft. aus W-NW schnell und komfortabel Warnemünde. Schon aus der Ferne ist reger Schiffsverkehr sichtbar. Da wir nicht nach Rostock wollen, laufen wir in den „Alten Strom“. Wir sind erstaunt und zugleich angenehm überrascht über den lebendigen gut renovierten Ort mit südlichem Flair. Wir finden schöne alte Gassen mit altem Baumbestand, viele kleine Geschäfte, eine große Promenade, viele Urlauber und freundliche Leute. Wir gehen spazieren, kaufen ein, erstehen hervorragenden frischen Räucherfisch am Hafen und genießen zwei Tage dieses sommerliche Treiben. Positiv für den Ort wirkt sich natürlich das Anlaufen von jährlich ca. 60 großen internationalen Kreuzfahrschiffen aus, die zusätzlich Leben und genügend Kaufkraft bringen.

Auch wenn die WWF-Umweltstiftung als Betreiber den Hafen „Darßer Ort“ nur als „Nothafen“ ausweist, so wird doch mit etwas Zähneknirschen nach überdurchschnittlichem Formularbedarf der Aufenthalt an langen Heckbojen für DM 17,-- für eine Nacht genehmigt. Natürlich gibt es hier keine Versorgungsmöglichkeiten. Bis 11 .00 Uhr des Folgetages muss der Hafen wieder 100%ig geräumt sein. Aufgrund des hochsommerlichen Wetters ziehen wir einen langen Strandspaziergang dem Heide- und Dünenweg mit Ausstellungsgebäuden vor.

Im Zusammenhang mit dem guten Wetter dreht der Wind leider auf Ost mit 4 Bft. Somit beschließen wir, zu motoren und unseren Steuermann „Johann“ (Autopilot) zu bemühen. Eigentlich wollen wir nach Barhöft. Da wir jedoch korrekte Deutsche sind nicht motorend durch die riesige Schutzzone 2 wollen, motoren wir im Gegensatz zu manch anderem Boot zur Nordspitze Hiddensees, um dann weiter nach Vitte bzw. zum Yachthafen Lange Ort an der Ostseite Hiddensees zu gelangen. Der beliebte Privathafen ist bereits zur Mittagszeit stark belegt. Der nach Osten offene Hafen ist an der Außenseite etwas unruhig. Wir liegen in Windrichtung und eilen bald mit Badezeug zum bei Ostwind herrlich geschützten und feinsandigen langen Badestrand. Während des anschließenden Spazierganges bewundern wir neben der Landschaft die überwiegend neuen und sehr schönen reetgedeckten Häuser. Wir beschließen, einige Tage auf Hiddensee zu bleiben.

Wir bekommen hervorragende Fahrräder geliehen und erkunden die Insel auf den sehr gut gepflasterten Wegen der kleinen Deiche. Eine Tour führt auch nach Kloster. Bei 30° genießen wir auch den schattigen Garten des Gasthofes mit Seeblick sowie guten Speisen und Getränken. Nur den Aufstieg nach Dornbusch (höchste Erhebung im Norden) zum Leuchtturm ersparen wir uns bei diesen Temperaturen. Ein Besuch der kleinen Kirche endet mit einem netten Gespräch mit dem Pastor, der viel zu berichten weiß und auch hervorragend Platt spricht. Wir erstehen die 10 Gebote auf Plattdeutsch und sind erstaunt über die freie und zugleich dem Sinn nach besser zutreffende Formulierung als der bekannte hochdeutsche Text.

Nach vielen Sommertagen in Vitte und abendlicher Eintrübung treibt es uns doch noch nach Barhöft bei E-SE mit 4 Bft. Das Festmachen an Heckbojen im ruhigen Hafen ist unproblematisch. Außer Natur und einige Gebäude sowie Kiosk und Restaurant bietet dieser Fleck nicht viel. Früher war hier nur die DDR-Küstenwache stationiert. Die Bewohner des kleinen Ortes wurden seinerzeit zwangsumgesiedelt. Heute ist das Gebiet ausgewiesenes Naturreservat. Beim abendlichen Rundgang durch den Hafen entdecken wir einen Missunder Stander, und zwar auf dem großen Motorboot des Ehepaars Schrader.

Der Wind dreht auf W, es ist bewölkt aber trocken. So erreichen wir mit 5 Bft. schnell Stralsund. Schon aus der Ferne wirkt die Silhouette schön und majestätisch zugleich. Wir liegen an Schwimmstegen im stadtnahen Yachthafen Nordmole und unternehmen sogleich einen Rundgang durch die Stadt. Sie wirkt auf uns lebendiger und zugleich aktiver hinsichtlich der Restaurierung als Wismar. Die Ziegelgrabenbrücke zur Weiterfahrt gen Ost ist defekt und soll sich frühestens am nächsten Tag wieder öffnen lassen. Uns interessiert es jedoch nicht, da wir ohnehin noch in Stralsund bleiben wollen. Entgegen den ersten Blicken in den Himmel wird der nächste Tag wieder sonnig und warm. Wir schlendern durch die belebte Innenstadt, trinken Kaffee in einem urigen Hinterhof, kaufen frische Erdbeeren für nur DM 2,70 für 1/2 kg und sind insbesondere beim Einkauf von Lebensmitteln immer wieder erstaunt, dass wir in den neuen Bundesländern wesentlich weniger bezahlen müssen als in Hamburg.

Am neuen Tag wollen wir morgens die erste Brückenöffnung nehmen. Ein vorsorglicher Anruf bei Stralsund Traffic auf Kanal 67 ergibt, dass bis auf weiteres keine Öffnung vorgesehen ist, vielleicht jedoch 21.30 Uhr abends. Wir sind sauer, da die Brücke doch schon seit längerer Zeit defekt ist. Der Wartetag beginnt auch noch mit leichtem Regen, der jedoch wieder nachlassen soll. Nachmittags unerwartet über Kanal 67 die Ankündigung, dass höchstwahrscheinlich die Brücke um 17.20 Uhr geöffnet werden soll. Der Kaffeetisch wird geräumt und schon laufen wir in Richtung Brücke. Mit uns 25-30 weitere Boote und Fischer. Die Brücke öffnet verspätet und besonders zögernd erhebt sich der Eisenbahnteil der doppelten Brücke. Wir sind zumindest auf der anderen Seite und steuern als nächsten Hafen Neuhof an. Dieser einsam gelegene Hafen bietet neben guten Steganlagen und einem Restaurant gute Einrichtungen. Wir nutzen die Zeit, lassen die Waschmaschine für uns arbeiten und mieten uns Fahrräder für eine Tour in die Umgebung. Die abgelegenen Orte erinnern teilweise an die 50er Jahre unserer Kindheit und sind mit Städte wie Stralsund oder Warnemünde und Rostock nicht zu vergleichen.

Abends erfahren wir aus dem öffentlichen Rundfunk NDR 1 MV, dass die Ziegelgrabenbrücke bis auf weiteres nicht mehr geöffnet wird. Wir hatten also aufgrund unseres schnellen Entschlusses die vorläufig letzte Öffnung erreicht.
(Dieses ist für uns der beste NDR 1-Sender, den wir jetzt auch in Hamburg hören.)


Von Neuhof geht es sportlich mit 5-6 Bft. aus SW über den Greifswalder Bodden nach dem idyllischen Seedorf auf Rügen. Die Sonne kommt wieder durch; wir können in Badezeug im Cockpit liegen. Eine Fußwanderung auf Pfaden durch Wälder, Heide, Schilf und Gras bringt und nach Moritzdorf. Am folgenden Tag beschaffen wir uns für DM 3,-- je Person eine Tageskurkarte und lassen uns somit kostenlos ins Seebad Sellin fahren. Dort stoßen wir auf eine laufend verkehrende touristische Stadtbahn. Wir wandern durch die alte Wilhelmstraße mit den hervorragend im alten Stil restaurierten Häusern aus der Zeit der Jahrhundertwende 1899/1900. Der Straßenzug wurde zwischenzeitlich unter Denkmalschutz gestellt. Am Ende der Straße führen viele Treppen hinunter zur im alten Stil wieder aufgebauten Seebrücke. Wir trinken dort Cappuccino und genießen die wärmende Sonne.
 

                                                                                                                                   Stilvoll restauriert in Sellin

Bei heiterem bis wolkigem Wetter ist es von Seedorf eine schnell Fahrt in den Peenestrom bis Wolgast. Liegeplätze für unseren Tiefgang werden hier weniger. Wir finden einen Platz im stadtnahen Hafen der Werft Horn vor der neuen Ziehbrücke. Der Ort bietet nichts Besonderes und ist nur hier und da restauriert. Uns reizt jedoch die neue Bäderbahn nach Usedom, die uns am nächsten Tag mit einer Tageskarte für DM 15,00 je Person bis zur polnischen Grenze bringt. Schon vom Äußeren sind wir von der futuristischen neuen Bahn angenehm überrascht. Und von der Ausstattung und vom Fahrgefühl haben wir den Eindruck, in einem kleinen ICE zu sitzen. Wir genießen die Landschaft aus dem Zug und steigen erst in Bansin aus. Auch hier sind die Hauptstraßen in Strandnähe überwiegend hervorragend im alten Stil renoviert. Wir wandern 7 km zu Fuß auf dem abwechselungsreichen Uferweg bzw. Promenade mit Blick auf das Meer und den jetzt in den Sommermonaten gut besuchten Badestränden über Heringsdorf bis Ahlbeck. Nach einem erlebnisreichen Landtag geht es mit der Bahn zu unserer Heimat “Boot“. Abends laufen wir noch zurück bis zur Marina Kröslin mit Ihren hervorragenden Steganlagen und genießen ganz allein am Kopfende des Steges einen wunderschönen Sonnenuntergang.

Bei Windstille bis leichten umlaufenden Winden vorwiegend aus östlichen Richtungen und guten sommerlichen Temperaturen geht es unter Motor in Richtung Rügen. Obwohl ich mir ganz sicher bin, dass wir uns an der NE-Spitze auf der 4 m-Linie befinden, bekommen wir Grundberührung mit einem Stein. Das Boot kommt glücklicherweise nicht zum Stehen, so dass Hoffnung auf einen nicht allzu großen Schaden besteht. Hanne ist berechtigterweise mehr oder minder schockiert und ich ärgere mich wahnsinnig, dass ich wohl doch ein zu hohes Risiko bei spiegelglattem Wasser eingegangen bin. Unser Ziel ist ohnehin der an der Steilküste malerisch gelegene Hafen Lohme. Hier finden wir noch genügend Platz, auch wenn im Hafen die Nordseite schon eine starke Versand aufweist. Wir erklimmen die 220 Stufen bis zum Ort, der jedoch auf uns eher einen sehr einfachen und fast verlassenen Eindruck macht. Romantisch und schön ist das Steilufer mit den natürlichen Wegen und Pfaden.
Noch immer schwebt über uns die Grundberührung. Wir müssen jedoch feststellen, dass alles relativ ist: Neben uns liegt ein Schwesterschiff. Die Frau hat Ihre Hand verbunden und berichtet uns, dass sie einer ungeschickten Chartercrew beim Ablegen helfen wollte und dabei einen Teil ihres Fingers verloren hat. Sie kam gerade aus dem Krankenhaus. Weiterhin mussten wir mit ansehen, dass der Skipper eines Bootes einen Herzinfarkt bekam. Eine große Arzt- und Sanitätermannschaft war lange an Bord. Da ein Transport über 220 Treppen ebenso unmöglich war wie eine Hubschrauberlandung, kam ein SAR-Kreuzer. Das Tochterboot konnte in den kleinen Hafen und übernahm den Patienten. Im Hafen machen sich unangenehme Gase durch abgestorbenen Tang bemerkbar. Ursache ist, dass durch die Vertiefung im Hafen gegenüber der seichten Fläche außerhalb der Tang hineinrutscht und dort abstirbt.


              
        Backsteingotik in Stralsund


Dieses verursacht auch in der Nacht Geräusche durch aufsteigende Blasen, die Hanne zunächst als Wassereintritt durch die Grundberührung definierte und somit kaum schlafen konnte. Eigentlich wollten wir nun Südschweden anlaufen, um dort mit unseren schwedischen Freunden einige Tage zu verbringen. Verständlicherweise hat Hanne aus Sicherheitsgründen im Augenblick kein Vertrauen zum Boot. Somit beschließen wir, nur wenige Meilen bis nach Glowe (Königshörn) zu segeln.
Dort finden wir eine neue und sehr gut ausgestattet Marina vor. Die Sonne lacht. Wir verspeisen am Kiosk sitzender weise mit Blick auf den gut belebten Badestrand zunächst einen leckeres Fischbrötchen und ein gutes Bier dazu. Ein langer Strandspaziergang mit anschließendem Kaffee und Eis im Strandcafé tut uns gut.
Wir bleiben zunächst in dieser schöne Ecke Rügens und mieten uns wieder hervorragende Fahrräder. Ab gehts zu einer Tagestour am Wasser und auf verschlungenen Wegen durch Wälder bis Breege und Umgebung. Nach einigen schönen Tagen und Bekanntschaften mit anderen Crews laufen wir morgens bereits um 6.20 Uhr aus nach Klintholm auf Mön. Zunächst leichter SW. Unterwegs liegt in der Morgensonne ein großes Küstenwachboot noch schlafend vor Anker. Ab dem Kap Arkona bekommen wir den auf 4-5 Bft. zunehmenden Wind quer ab, so wir jetzt unter Segel sehr gute Fahrt machen und die Hauptarbeit unserem Johann als Zielfahrt überlassen. So sind wir nach 46 sm bereits um 14.00 fest in Klintholm. Irgendwie fühlen wir uns hier in Dänemark wieder zu hause. Wir wandern sofort mit den Füßen im Wasser „unseren“ beliebten und bekannten Strand entlang und erstehen anschließend im Ort hervorragenden (wenn auch teuren) Räucherfisch. Frischfisch ist schwer zu bekommen, da die meisten Fischer der Flotte Urlaub machen und viele Kutter zur Überholung auf den Helgen liegen. Trotz mehrerer Liegetage ersparen wir uns eine Wanderung oder Fahrt zum Klint. Wir faulenzen und lesen lieber am Dünenrand in der Sonne, baden hin und wieder, beschaffen uns einen Einmaigrill und gutes Grillgut, welches wir dann in der Abendsonne mit einer guten Flasche Rotwein genießen.

Unser nächstes Ziel ist Hesnäs auf Falster. Der kleine Hafen ist gut belegt, aber nicht überfüllt. Eine junge und zugleich kultivierte Chartercrew aus Rostock singt und musiziert abends und verbreitet dadurch eine tolle Stimmung. Am folgenden wieder hochsommerlichen Tag gibt es zunächst ein Ostseebad am direkt neben dem Hafen liegenden schönen Sandstrand. Danach einer Wanderung an und auf der schönen Steilküste durch Buchenwälder. Für den kleinen Ort ist charakteristisch, dass die Außenwände vieler Häuser mit Reet verkleidet sind.

 


 

 

Leuchtfeuer
auf Vejrö


Wir haben zwar relativ viel Zeit, wollen uns jedoch wieder langsam in Richtung Heimat voranbewegen. Nach 36 sm erreichen wir bei 0 Windstärken durch den Grönsund und Store-Ström die Insel Vejrö mitten im Smaaland-Gewässer. Bei unserer Ankunft gegen Mittag wird als erstes ein Sonnensegel übers Cockpit gespannt. Dann nichts wie an den nahegelegenen Strand zum Baden bei sagenhaften Wassertemperaturen von 23-24°. Unser folgender Wandertag über die schöne Naturinsel wird zeitweise von etwas Regen begleitet, es ist jedoch sehr bzw. angenehm warm. Wir treffen auf Sportflieger aus verschiedenen Regionen Deutschlands, die dort eine Graspiste des Bauern zur Verfügung haben und nachts in winzigen Leichtzelten übernachten.

Da der Wind zunehmen soll und das auch noch aus W, beschließen wir, morgens für uns sehr früh, also schon zu um 6.00 Uhr, den Wecker zu stellen. Trotzdem machen wir uns in Ruhe zurecht, backen Brötchen auf und frühstücken ausgiebig. Das ist für einen unruhigen Törn auch wichtig. Ablegen um 8.00 unter doppelt gerefftem Groß nach Omö. Der Wind nimmt noch etwas zu. Der Hafen auf Omö ist relativ voll, da nur wenige Boote auslaufen mögen. Wir finden jedoch aufgrund unserer frühen Ankunft einen guten Liegeplatz. Jetzt scheint die Sonne wieder vom blauen Himmel. Der Hafen wird übervoll, so dass der Hafenmeister neben der Belegung des Fischereihafens viele Boote zusätzlich einfach in die Fahrrinne zwischen den beiden Boxreihen festmachen lässt. Somit sind die meisten - wie wir - eingekeilt, was die Sache abends gemütlich macht und uns nicht stört. Wir bleiben noch, leihen uns gute Fahrräder vom Restaurant „Perlen“, müssen natürlich auch einmal „Hotdogs“ am Kiosk essen und radeln in verträumte Ecken der uns inzwischen sehr gut bekannten Insel. Auf dem Rückweg werden die Räder mit Verpflegungsnachschub aus der Inselmitte beladen.

Eike hat Geburtstag! Normalerweise flaggen wir dann über alle Toppen, jedoch bei vorhergesagten 6-7 Bft. aus E lassen wir es heute. Hanne hat ganz liebevoll den Tisch im Salon gedeckt und tolle Geschenkt dekoriert. Eigentlich wollten wir diesen Tag noch auf Omö verbringen, doch in Anbetracht der Windvorhersage beschließen wir, nach einem ausgiebigen Frühstück auszulaufen nach Troense. Der Wind bleibt weit entfernt von 6-7 Bft., so haben wir eine schöne Überfahrt. Die Sonne lacht auch zum Geburtstag. In Troense haben wir Kaffeedurst und wandern durch die immer wieder schönen Häuserreihen bis zum Waldemars SIot. Da nach unseren und auch Erfahrungen vieler anderer die dänische Küche nur an ganz wenigen Orten in die Gourmet-Richtung tendiert, zaubert Hanne am Abend an Bord ein hervorragendes großes Geburtstagsmenü. Danke Hanne!

Der nächste Tag beginnt zwar mit Regenschauer, doch als wir gegen Mittag uns von Troense mit dem nostalgischen Ausflugs- und Fährschiff „Helge“ nach Svendborg fahren lassen, scheint schon wieder die Sonne. Ein kleinstädtischer Bummel, Einkauf im hervorragend sortierten Kvickly sowie eine Kaffeepause im Straßencafé verschönern den Tag, bevor wir wieder mit der Helge unser eigenes Boot erreichen.

Die Großwetterlage ist nicht so überzeugend wie in den letzten Wochen. Der Wind weht jetzt mit 4-5 Bft. aus 5, und somit beschließen wir, jetzt bis Maasholm durchzulaufen. Bis Pölshuk können wir gut segeln. Dann, südlich von Alsen, nähern sich Regenschauer mit starken Böen, was wir schon warnend aus Funkgesprächen von Booten in der Flensburger Förde entnehmen können. Also: Segel bergen, Motor anwerfen und Johann einschalten. So erreichen wir nach 46 sm Maasholm.

Auch der folgende Tag bringt, wie aufgrund der Wetterlage schon vermutet,  kräftige Schauerböen aus SW. Gerade während der Brückenöffnung in Lindaunis schüttet und pfeift es mit 34 kn (8 Bft.). Wir können kaum genug sehen. Die mit uns laufende „Unsis“ zerreißt es das Segel. Angekommen in „unserem Missunde“ kommen nach so langer Abwesenheit doch etwas heimatliche Gefühle auf. Hier ist alles viel ruhiger. Nach einem schönen Essen im Missunder Fährhaus und einen Tag zur Bootspflege geht es wieder nach Hamburg.

Es war wieder ein schöner sommerlicher Segeltörn mit für unsere Breiten überdurchschnittlich gutem Wetter. Es folgt zwar noch ein Herrentörn und das Sommerfest des MiYC mit der Regatta, doch uns beschleicht im Gegensatz zum Starttermin im Juni schon leicht das Gefühl, dass die Segelsaison sich leider bald wieder dem Ende nähert.
                                                                                             Eike Schmidt


                               Einlaufen Schleimünde