Die "Quintessa",
auch 2004 auf Herrentörn!

Männer- oder Herrentour?
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In der Ausgabe 3/2004 der „Yacht“ befasst sich der Leitartikel mit den so genannten Männer-Törns: Lange Nächte, lange Reisen, warum echte Kerle auf See am liebsten unter sich bleiben. Einmal in der Saison ohne Frauen in See stechen – eine lieb gewordene Tradition oder Fluchtmöglichkeit!? 
   Auch wenn der Autor bei seinen Recherchen vielleicht insbesondere Chartercrews ins Visier nahm und sicherlich bewusst überzeichnet hat, so habe ich die Artikel mit einem befriedigendem Schmunzeln gelesen. So treffen manche Beweggründe und Verhaltensweisen in abgespeckter Form während einer auf wenige Tage begrenzten Segeltour unter Männer im kleinen Kern zu. Auch meine Frau hat bei diesem Literaturstudium bei einigen Passagen herzhaft gelacht und vielleicht bei vielen anderen auch nur geschmunzelt.
   Diesen Bericht aus der Yacht habe ich nun vor unserer seit Jahrzehnten schon regelmäßig durchgeführten Männer- oder Herrentour den übrigen Crew-Mitgliedern zum Studium gegeben als evtl. Basis für unsere diesjährige Tour. Die erste Frage war nun: Sollten wir weiterhin „Herrentour „ oder jetzt „Männertour“ sagen? Und sollten wir auch unsere liebgewordenen Verhaltensweisen ändern?
   Der folgende Logbuchauszug – geschrieben vom einem Crew-Mitglied – gibt in erfrischender Weise Aufschluss darüber.                                                                               Eike Schmidt

Herrentour 2004
5. – 12. Juni

Dieses Jahr wird alles anders! Das fängt damit an, dass wir nicht im Spätsommer, sondern nun im Juni segeln, weil der August für größere Festlichkeiten frei bleiben muss. Anders ist auch, dass wir uns am Samstag, den 5.Juni, nicht am Boot treffen, sondern bei Hanne und Eike in ihrem wunderhübschen Ferienhaus.

Pünktlich mit unserem Törn-Start kommt die Sonne. Wir sitzen auf der Terrasse im Grünen. Hanne hat einen tollen Lunch mit frischestem Fisch zubereitet. Beim anschließendem Kaffee kommt uns der Einfall, doch einfach die Woche über hier zu bleiben und uns verwöhnen zu lassen. Doch Hannes entsetztes Gesicht – vier Männer die ganze Woche über – belehrt uns, dass wir ja zum Segeln gekommen sind. Also nehmen wir Abschied, klaren das Boot auf und legen gegen 15.00 Uhr im schönen Missunde ab.

Dieses Jahr soll alles anders werden! Eike hat uns ja einen Artikel aus der Yacht vorgehalten, der das Segeln von „Männer-Crews“ beschreibt. Wenn wir das auch sein wollen, müssen wir Tag und Nacht segeln, die Stürme suchen, uns nicht waschen, nur über Sex reden, saufen und überhaupt richtig kernig sein.

Wir fangen auch gleich an und rasen zur ersten Brücke (Lindaunis), passieren sie und beschließen, das hart sein noch zu verschieben. Bei schönstem Wetter daddeln wir zur nächsten Brücke (Kappeln), trinken Kaffee, essen Birgits leckeren Kuchen

– verfeinern ihn mit einem Schuss Rum – und unterhalten uns so angeregt (völlig unmännlich), dass Christoph das Boot in den Schlick setzt. Dank Eikes Erfahrung wieder flott, geht es über Kappeln nach Schleimünde. Hier ist es voll, wir bekommen aber einen Platz in der dritten Reihe. In der Abendsonne essen wir, trinken ein wenig Wein und sind um 23.00 Uhr in den Kojen.

6. Juni

Dieses Jahr wird alles anders. Bereits um 7.40 Uhr steht Christoph als erster auf (sonst immer als letzter), weil er einfach ausgeschlafen hat. Wann hat es das je gegeben? Gemütliches Frühstück, letzter Landgang und Start gegen 10.00 Uhr. Zum Glück schlafen die Crews der anderen Boote noch länger.

Wind 3 Bft. aus West, Himmel bedeckt aber trocken. Wir nehmen Kurs auf die Nordspitze von Aarö, machen gute Fahrt, also optimale Bedingungen für eine Männer-Crew zum Eingewöhnen. Doch statt diese jetzt in echter Seemannschaft alles aus dem Boot herausholt, melden sich Rainer und Jörn schon um 11.00 Uhr ab in ihre Kojen. Ob es die Überanstrengung der letzten Arbeitstage ist oder die frische Luft oder gar die Seekrankheit, ist ihnen egal. Sie schlafen bis in den Nachmittag, verpassen den Kurswechsel nach SSE, das Setzen des Schmetterlings, sogar wieder die Sonne. Doch rechtzeitig zum Einlaufen in Drejö sind alle wieder dabei.

Drejö ist eine kleine hübsche Insel, auf der wir noch nie waren. Sehr gepflegt, mit Informationshäuschen am Hafen, in dem u. a. um zusätzliche Bewohner (es gibt 70 davon) geworben wird.

Nach schönem Spaziergang durchs Dorf und um die halbe Insel startet Eike den Grillabend, während zwei Dänen zu unserer Bewunderung in der Ostsee baden. Wir sind gut verpackt wegen des Windes, aber in der Abendsonne genießen wir gute Steaks vom Schlachter Hansen, Würstchen, Kartoffel und Tomaten sowie guten Rotwein. Der arme Jörn, der einen maroden Zahn hat, kann nur Würstchen essen.

Zum Abschluss wird an Bord eine Runde gespielt mit dem von Jörn spendierten neuen Spiel „Ostseereise“, zwar sehr lehrreich – jetzt wissen wir endlich, wo wir immer segeln – doch zu intellektuell für die Männer-Crew. Ab Morgen wieder Skip-Bo oder höchstens Kniffel. Gegen 23.30 ab in die Kojen.

7. Juni

Nur weil dieses Jahr alles anders werden soll, muss man ja nicht alle lieb gewonnenen Gewohnheiten und sinnvollen Erfahrungen vernachlässigen. Darum bekommt die Reihenfolge des Aufstehens heute wieder ihre normale Ordnung – Jörn als erster, Christoph als letzter – und darum nehmen wir erst einmal Kurs auf Svendborg. Das ganze bei schöner Sonne und achterlichem SW-Wind mit Schmetterling, so schön  und ruhig, dass Rainer ein Nickerchen hält.

Gegen 12.30 Uhr in Svendborg läuft das übliche Ritual ab: Landfein machen, Einkaufstaschen schultern, Geld aus dem Automaten ziehen, bei Kwickly die lange Liste abarbeiten, mit einem Eis durch die Fußgängerzone schlendern, im Geschenkeladen eine dänische Knoblauchpresse kaufen. Dann doch etwas anderes: Hanne hat Christophs Lieblingsaschenbecher wegen – erwiesener – Hässlichkeit entsorgt. Also ersteht die Mannschaft einen neuen Designer-Aschenbecher (war ein Sonderangebot).

Den Abschluss bildet wie immer ein ausführlicher Besuch von Bendixens Fischhandel und ein Fisch-Lunch an Bord, immer noch bei warmer Sonne.

Dann gegen 14.30 Leinen los, mit Motor (wir sind zu faul für dauernde Wenden) durch den schönen Svendborg-Sund und dann Segel setzen in der offenen Ostsee. Wieder guten Wind schräg von achtern. Die Mannschaft schläft nach dem anstrengenden Zwischenstopp oder döst in der Sonne, bis plötzlich ein paar Regentropfen alle aufscheuchen. Beim Einlaufen in Lundeborg erwischt uns ein kleiner Schauer, doch später wird es wieder schön.

Heute kocht Rainer, der darum auf den Spaziergang verzichtet, alles mit Mühe und Liebe vorbereitet und uns dann mit einem perfekten Dreigang-Menü verwöhnt: Avocado mit Krabbensalat, Zanderfilet mit Kartoffeln, Erdbeeren mit oder ohne Flöde! Wohlig gefüllt verzichten wir auf anstrengende Spiele, unterhalten uns bei gutem Wein und sinkender Sonne und gehen gegen 22.40 Uhr schlafen.

8. Juni

Warum soll eigentlich dieses Jahr alles anders sein? Müssen wir Stürme suchen und Meilen fressen, wo doch so schön die Sonne scheint und ein sanfter SW-Wind einlädt, gemütlich zu frühstücken und dann in aller Ruhe den großen Belt zu queren? Wir sind schließlich keine Männer-Crew, sondern eine Herren-Crew. Also handeln wir auch so und segeln bei achterlichem Wind praktisch mit einem Schlag ca. 25 Meilen nach Vejrö im Smaaland-Gewässer. Hier liegt nur ein Boot, als wir gegen 16.00 Uhr ankommen, und auch später kommen nur wenige dazu. Während Christoph einen Nachmittagsschlaf macht und dann mit den Kochvorbereitungen beginnt, machen die anderen einen langen Spaziergang über diese schöne Insel bei herrlichem Sonnenschein. Sie berichten von Rehen, Hasen, Möwen- und Schwannestern. Nur die vielen Beeren und das Obst auf den Bäumen sind noch nicht reif. Dafür gibt es an Bord „Tunesischen Lammtopf“ nach Tomatensalat und vor Rote Grütze, was allen sehr gut schmeckt. Dazu natürlich wie immer guten Wein. Sehr spät erst müssen wir die Kapuze (Kuchenbude) aufziehen, weil die Abendsonne immer noch wärmt. Auch beim Kniffel-Spiel stellt sich schnell das „Alles ist wie immer“ ein, d. h. Rainer und Eike gewinnen. Gegen 23.30 Uhr erst ins Bett.

9. Juni

Sollte es dieses Jahr doch anders sein? Gegen 7.00 Uhr fängt es an zu regnen, bläst gewaltig aus SE und läßt uns bis 8.30 Uhr in der Koje liegen. Das haben wir in den letzten Jahren noch nie gehabt. Doch noch während des Frühstücks hört der Regen auf und es wird heller, und als wir gegen 10.30 Uhr auslaufen, scheint schon wieder die Sonne. Der Wind aber bleibt, so daß wir bei 4-5 Bft. wunderbar vor dem Wind zurück gen Westen segeln. Schöner kann es nicht sein.

Gegen Mittag bezieht es sich und briest auf. Pfeilschnell kreuzen wir den großen Belt, umrunden die Nordspitze von Langeland und laufen dann mit halben Wind und kräftiger Lage (was Jörn und Rainer nicht vom ausgiebigen Schläfchen abhält) nach Süden. Wenigstens ein Stück Männercrew-Segeln. Vor der Einfahrt in den Svendborg-Sund überholen wir sogar eine schnellere Yacht (indem wir die Tonne schnippeln) und segeln dann mit 4-6 Knoten über Grund durch den Svendborg-Sund – trotz kräftigem Gegenstrom. Das macht so viel Spaß, daß wir sogar auf das Einkaufen in Svendborg verzichten (außerdem regnet es ein wenig und wir brauchen auch gar nichts).

Gegen 18.00 Uhr dann fest auf Skarö, einer kleinen Insel, die selbst Eike noch nie betreten hat. Wir sind und bleiben tatsächlich ganz alleine im Hafen. Zum Abendessen gibt es das berühmte Chili-con-Carne von Jörn, das wir nach dem langen Segeltag mit Heißhunger – und weil es auch noch gut schmeckt – verdrücken. Bei leichtem Nieselregen spielen wir unter der „Gartenlaube“ noch eine Runde Kniffel (dreimal raten, wer gewinnt).

10 Juni

Über Nacht ist der Wind auf West gedreht und hat die Wolken mitgenommen. Als wir um 8.20 Uhr (!!) aufstehen, lacht die Sonne vom wolkenlosen Himmel. Das Frühstück wird ausgiebig und länger als sonst. Wir haben ja nicht viel vor, sondern Urlaub. Somit folgt erst einmal ein Inselrundgang. Ein Dorfteich und einige schöne malerische Häuser laden zum Verweilen ein. Auch die einheimische Herren-Dorfrunde lässt es sich bereits am Vormittag gut gehen. Erst gegen 12.00 Uhr Leinen los.

Da der Wind nun von vorn kommt, müssen wir kreuzen. Aber da wir keine weite Strecke vor uns haben und die Sonne scheint, macht das Spaß. Nur Rainer muss ein paar Mal seinen Mittagsschlaf unterbrechen und die Salonseite wechseln, wenn er bei der Wende aus der Koje rollt. Es ist doch sehr wie jedes Jahr: Jörn, eigentlich am Ruder, will nur eben mal einen Pullover holen und kommt erst eine Stunde später beim Anlegen aus seinem Vorschiff. Auch Christoph schläft eine Runde auf dem Achterdeck und selbst Eike nimmt einen kleinen „Nap“.

Gegen 16.00 Uhr sind wir im Hafen von Lyö, trinken einen langen Anlegerkaffee, beobachten die Besatzungen der anderen, meist deutschen Boote: ein Vater, der mit den kleinen Töchtern im Beiboot rumschippert, Ladies, die ihren sorgfältig geschorenen Pudel ausführen, junge Damen, die in anmutigem Gang permanent vom Oldtimer an der Hafeneinfahrt zum Waschhaus und zurück flanieren (wir sind uns nicht einig, warum)...

Ein ausgiebiger Spaziergang führt uns durchs Dorf, an der Eisbude vorbei zum Hügelgrab und zurück, mit immer wieder neuen schönen Aussichten auf das Meer, die Nachbarinseln oder die Südküste von Fünen. Um 19.00 Uhr wieder an Bord zaubert Jörn die leckeren Bratkartoffeln, zu denen wir den letzten Räucherfisch und Sauerfleisch essen. Das Abendessen in der untergehenden Sonne im Cockpit ist schöner als jeder Restaurantbesuch. Bei viel Weißwein klönen wir noch lange über dies und das, lamentieren ein wenig über die Ungerechtigkeiten der Welt und wissen dabei doch sehr wohl, wie gut wir es haben. Erst nach 24.00 Uhr schlafen alle.

11. Juni

„Schon“ kurz vor 8.00 Uhr Aufstehen. Der Himmel ist diesig grau, der Wind kommt aus SW, also direkt aus unserer Zielrichtung. So sitzen wir ab 10.00 Uhr alle im Cockpit im Windschatten, motoren, lassen Johann (Autopilot) steuern, lesen ...... – bis plötzlich die Sonne herauskommt, wir den Kurs ändern und segeln können. Nur mit der Fock hoch am Wind, der wirklich kräftig bläst, rauschen wir gen Süden. Über uns Sonne, dann wieder ein wildes Wolkengebräu, doch kein Regen. Wasser nur ab und zu von vorn. Selbst in der Schlei noch viel Wind, doch ruhig genug für einen kleinen Imbiss „Heiße Tasse“ und Kaffee. Gegen 16.00 Uhr machen wir in Arnis fest. Nach einem Spaziergang um den malerischen Ort und einer ruhigen Schwatz- und Schaustunde (was sich so alles tut am Freitagnachmittag in einem großen Yachthafen) zaubern Jörn und Eike das letzte Bordmenü: Würstchen und Spaghetti Napoli (per Handy von Hanne unterstützt/gelenkt, was das Würzen anbelangt). Wieder sitzen wir bis zum Sonnenuntergang im Cockpit, reden, spielen Kniffel (Eike und Rainer gewinnen natürlich) und trinken Weißwein. Es ist noch hell, als wir um 23.00 Uhr in die Kojen gehen.

12. Juni

Schon um 7.30 Uhr aufstehen, weil wir um 9.30 Uhr ablegen wollen. Beim Frühstück fängt es plötzlich kräftig an zu regnen. Sollten wir nach einer fast trockenen Woche noch nass werden? Nein, exakt um 9.30 Uhr wieder Sonne. Auf geht's zur letzen Etappe.

 Ja, nun war die Woche doch wie jedes Jahr: Keine Meilen gefressen, keine Rennen gewonnen, keine Gespräche über Sex, kein Fetzen untereinander. Dafür viel Sonne, guten Wind, sehr gutes Essen und Trinken, viel Schlaf (unterschiedlich verteilt), gute Gespräche, schöne Spaziergänge und vor allem tolles Segeln. Gar nichts war anders dieses Jahr – und das ist gut so!
                                                                          Dr. Christoph von Rotkirch